Die Pläne zur Notfallreform lösen beim Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt Kopfschütteln aus. „Der Entwurf erinnert mich an Wunschvorstellungen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Bundesgesundheitsminister Lauterbach macht Versprechen, die für die Patienten einem Schlaraffenland der medizinischen Versorgung gleichen müssen. Das liest sich alles schön und gut, geht an der Realität aber komplett vorbei“, kommentiert Dr. Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der KVSA, den aktuellen Referentenentwurf des Gesetzes.
Derzeit gibt es in Sachsen-Anhalt 300 unbesetzte Hausarzt-, Facharzt- und Psychotherapeuten-Stellen. Immer mehr Praxen haben Probleme, Medizinische Fachangestellte zu finden. Der Arztmangel ist allgegenwärtig, das spüren die Patienten bereits vielerorts. Mit dem Gesetz zur Reform der Notfallversorgung sollen personelle Ressourcen gebunden werden, die es in Sachsen-Anhalt nicht gibt. Die Praxen arbeiten schon jetzt am Limit.
Laut Gesetzesentwurf sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen die notdienstliche Akutversorgung außerhalb der regulären Praxissprechzeiten flächendeckend in sogenannten Integrierten Notfallzentren absichern sowie telemedizinische Versorgung und Hausbesuche rund um die Uhr anbieten. „Mit welchen Ärzten? Woher kommen dafür die finanziellen Mittel?“, fragt sich Dr. Jörg Böhme. „Es fehlen Ärzte, es fehlt qualifiziertes medizinisches Personal. Statt teure und sinnlose Doppelstrukturen zu schaffen, sollte es der Politik darum gehen, die bestehende ambulante Versorgungsstruktur zu stärken“, so Dr. Jörg Böhme. Die Mehrbelastung der ambulant tätigen Haus- und Fachärzte wird zu noch mehr Problemen in der Regelversorgung und damit in der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung führen.
Der ambulante und der stationäre Bereich sowie Dritte wie Rettungsleitstellen sollen sich digital vernetzen, so Lauterbachs Pläne, um Behandlungsdaten schnell austauschen zu können. „Die Übertragung von Daten zwischen allen an der medizinischen Versorgung Beteiligten nicht nur im Bereitschafts- und Rettungsdienst ist noch lange nicht voll einsatzfähig. Die Vertragsärzte können sich ja nicht einmal elektronische Arztbriefe mit dem Krankenhaus austauschen, weil der stationäre Bereich dazu immer noch nicht in der Lage ist“, erklärt der KVSA-Vorstandsvorsitzende und ist überzeugt: „Alles, was übergestülpt wird, ohne die Gegebenheiten vor Ort zu beachten, wird im Chaos enden.“
Die Pläne des Bundesgesundheitsministers sind, so Dr. Jörg Böhme, alles andere als förderlich, den Nachwuchs für eine Niederlassung zu begeistern und die gestandenen Mediziner zum Weitermachen zu motivieren. „Die Leidtragenden werden die sein, die eigentlich davon profitieren sollen: die Patienten.“