„Was soll das? Soll die ambulante Versorgung lahm gelegt werden?“, fragt sich Dr. Jörg Böhme. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) ist entrüstet über den am Mittwoch, 24. Mai 2023, im Gesundheitsausschuss des Bundestages beschlossenen Änderungsantrag zum Pflegegesetz, das heute (26. Mai 2023) im Bundestag verabschiedet wird. Dieser sieht vor, dass die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zukünftig Notfall- und auch Nicht-Notfall-Patienten behandeln müssen. Die Patienten dürfen ausschließlich an die dortigen Notdienstpraxen, wenn vorhanden, weitergeleitet werden. Ein Verweisen an die Praxen der ambulant tätigen Haus- und Fachärzte ist nicht mehr möglich.
Statt mit der geplanten Reform der Akut- und Notfallversorgung die Steuerung der Patienten in die richtige Versorgungsebene – Arztpraxis, integriertes Notfallzentrum oder stationäre Notaufnahme – anzugehen, scheine es, dass die Patienten gezielt im Krankenhaus gehalten werden sollen, stationär oder in der dortigen Notdienstpraxis. „Das, was eigentlich vermieden werden sollte, nämlich die Überlastung der Krankenhäuser, wird damit gezielt forciert werden“, so Dr. Böhme. Der Gesetzgeber ziehe damit nicht nur Patienten aus dem ambulanten Einrichtungen ab, sondern er steuere diese jetzt in die Notaufnahmen der Krankenhäuser, die eigentlich entlastet werden sollen.
Dr. Jörg Böhme: „Das hat schon ein ,Geschmäckle‘. Soll die flächendeckende ambulante Versorgung, wie wir sie jetzt kennen, mit dem Arzt in seiner Praxis gleich um die Ecke und geregelten Sprechzeiten, bald nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme sein? Soll das Krankenhaus zum ersten Ansprechpartner bei jeglichen gesundheitlichen Problemen von Patienten werden? Warum wird die Expertise derjenigen, die die meisten Notfälle betreuen, die niedergelassenen Ärzte, nicht einbezogen? Die Pläne der Bundesregierung für eine gemeinsame Notdienstreform mit den Ländern, die gerade diskutiert werden, schmeißt die gleiche Bundesregierung damit über Bord. Das ist weder inhaltlich, noch vom Prozess der Gesetzgebung und des Einbezuges der Bundesländer her zu verstehen.“