"Noch haben die meisten Patienten einen Hausarzt des Vertrauens, können Fachärzte aufsuchen, erhalten Termine bei Psychotherapeuten. Wenn auch nicht immer sofort und um die Ecke, können wir dennoch sagen: Wir sind für Sie nah. Und das wollen wir auch in Zukunft sein. Das ist Wunsch der Ärzte und Psychotherapeuten und Wunsch der Patienten. Doch es wird für die Praxen immer schwieriger, diesen Wunsch zu erfüllen. Die Belastung der einzelnen Praxis wird immer größer", sagt Dr. Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA).
Auf diese schwierige Lage der Praxen einerseits sowie die einzigartige Nähe und dem daraus resultierenden Vertrauen zwischen Vertragsärzten, Psychotherapeuten und Patienten andererseits weist die aktuell laufende Kampagne "Wir sind für Sie nah." von den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlicher Bundesvereinigung mit Plakaten, TV-Spots, Anzeigen und mehr hin. Heute und morgen (30. und 31. Mai) sowie am Montag und Dienstag (3. und 4. Juni) ist ein Kampagnen-Bike in Magdeburg unterwegs, um für das Thema zu sensibilisieren.
"Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht schnellstmöglich ändern, ist die wohnortnahe ambulante Versorgung – so wie die Patienten sie jetzt kennen und schätzen – in Gefahr", gibt Dr. Holger Grüning, stellvertretender KVSA-Vorstandsvorsitzender, zu bedenken. In den kommenden zehn Jahren werden mehr als 700 der heute 1.490 tätigen Hausärzte und mehr als 1.100 der heute 2.190 tätigen Fachärzte mindestens 65 Jahre oder älter sein. "Wir sind jedem Vertragsarzt dankbar, der trotz Rentenalter weiterarbeitet und somit zu einer Entlastung der angespannten Situation beiträgt. Denn schon heute fehlen vielerorts Ärzte und Psychotherapeuten, Praxen können nicht nachbesetzt werden. Aktuell gibt es in Sachsen-Anhalt 300 unbesetzte Stellen."
Die ambulante Versorgung auf zukunftssichere Beine zu stellen, sei, so der geschäftsführende KVSA-Vorstand Mathias Tronnier, eine Aufgabe, die nur gesamtgesellschaftlich gemeistert werden kann. Wesentlich dazu beitragen kann die Politik. Für mehr Nachwuchs im Allgemeinen und im Land im Speziellen braucht es mehr Medizinstudienplätze und eine höhere Landarztquote, auch für Fachärzte. "Um die jungen Mediziner für den ambulanten Bereich zu begeistern und die gestandenen Mediziner zum längeren Praxisbetrieb zu motivieren, braucht es bessere Rahmenbedingungen: weniger Bürokratie, mehr reibungslos funktionierende digitale Anwendungen, eine auskömmliche Finanzierung und endlich die Entbudgetierung aller Fachgruppen", führt Tronnier aus.
Mit dem Kampagnen-Bike hat der KVSA-Vorstand heute beim Sozialministerium Halt gemacht. Sozialministerin Petra Grimm-Benne nimmt die Sorgen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten ernst: "Für die Versorgung im ländlichen Raum brauchen wir innovative Ansätze, vor allem solche, die ambulante und stationäre Versorgung miteinander verknüpfen. Das ist ein wesentlicher Punkt für die Zukunft in unserem Land. In Sachsen-Anhalt gibt es dazu bereits vielversprechende Projekte. Davon brauchen wir mehr." Zudem sei die Landarztquote ein gemeinsames Erfolgsmodell. Bislang wurden aus insgesamt fast 500 Bewerbern 82 zukünftige Landärzte für eine spätere Tätigkeit im ländlichen Raum vertraglich verpflichtet. Weitere 25 werden dieses Jahr ihr Studium aufnehmen.
Mehr Informationen unter www.rettet-die-praxen.de
Foto: Zwischenstopp Sozialministerium: Der KVSA-Vorstand – Dr. Holger Grüning (von links), Dr. Jörg Böhme und Mathias Tronnier – spricht mit Sozialministerin Petra-Grimm Benne über die Kampagne „Wir sind für Sie nah.“. Das Rad mit Plakat – ein Hingucker. ©KVSA