Mehr als 250 Hausarzt-Stellen sind aktuell in Sachsen-Anhalt nicht besetzt. Im fachärztlichen Bereich fehlen in vielen Regionen Dermatologen, Augenärzte und Nervenärzte. In den kommenden Jahren müssen mehr als 1.100 Arztstellen nachbesetzt werden, weil Ärzte, die jetzt 60 Jahre und älter sind, in den Ruhestand gehen werden.
„Wir verstehen jeden Bürger, der verärgert ist, wenn er in seiner Nähe keinen Hausarzt findet oder länger auf einen Termin beim Facharzt oder Psychotherapeuten warten muss. Auch die Vertragsärzte und Psychotherapeuten sind mit dieser Situation unzufrieden. Ärzte und damit Arztzeit sind eine wertvolle Ressource“, sagt Dr. Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA), und fügt im gleichen Atemzug hinzu: „Doch der jetzige Arztmangel und die damit einhergehende Überlastung der bestehenden Praxen kommt ganz und gar nicht überraschend.“ Die KVSA weise seit 2002 die Politik immer wieder darauf hin – doch es tat sich wenig. Lediglich die Landarztquote sei eingeführt worden. „Ein klitzekleiner Tropfen auf einem riesigen heißen Stein“, so Böhme.
„Nur die Politik kann die Lage entspannen und den nahenden Praxen-Kollaps verhindern“, ist der KVSA-Vorstandsvorsitzende überzeugt: Um die Zukunft der flächendeckenden ambulanten Versorgung zu sichern und zu verbessern, braucht es mehr Nachwuchs und demzufolge mehr Medizinstudienplätze. Für angehende Ärzte und Psychotherapeuten muss es attraktiv sein, ambulant tätig zu werden und dies auch in den ländlichen Regionen. Vollumfänglich erbrachte Leistungen dürfen nicht weiterhin nur anteilig bezahlt werden. Digitale Anwendungen, die für die Praxen verpflichtend sind, dürfen nicht mit Sanktionen besetzt werden, wenn sie nicht reibungslos funktionieren und somit zusätzlich Zeit kosten und Nerven rauben. Der Verwaltungsaufwand muss auf ein Minimum reduziert werden, damit mehr Zeit für die Patienten bleibt.
Mit konzertierten Protestaktionen machen die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Berufsverbände bundesweit auf die Schieflage im Gesundheitssystem aufmerksam.
„Ärzte beziehungsweise Psychotherapeuten wollen in ihren Praxen Patienten behandeln, ihre Beschwerden lindern und heilen. Doch viele vergessen: Eine Praxis ist auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Wenn die Einnahmen die notwendigen Ausgaben nicht mehr decken, kann das keine Praxis über eine längere Zeit stemmen“, so Dr. Böhme, selbst Hausarzt in Stendal. „Die Arbeit mit den Patienten ist jeden Tag aufs Neue erfüllend. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen – sonst wird es zukünftig noch weniger Praxen geben, die Patienten werden noch länger auf Termine warten und noch längere Wege in Kauf nehmen müssen.“
„Die schlechten Ergebnisse der Umfrage der Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung zur medizinischen Versorgung in Sachen-Anhalt müssen die Politik aufhorchen lassen. Helfen Sie mit, die Politik wachzurütteln. Weisen Sie deutlich auf die Defizite hin“, appelliert Dr. Jörg Böhme an die Bürger. „Machen Sie mit bei der Mailing-Aktion der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die auch wir in Sachsen-Anhalt unterstützen. Schreiben Sie Ihren Bundestagsabgeordneten an, sensibilisieren Sie ihn für die Belange der ambulanten Versorgung und tragen Sie so dazu bei, dass sich die Praxen-Landschaft stabilisiert.“
Sie möchten sich an der Mailing-Aktion beteiligen? Das geht ganz einfach:
- Aktionsseite www.praxenkollaps.info/ aufrufen
- Abgeordneten über Postleitzahl, Name oder Wahlkreis suchen
- Abgeordneten auswählen
- Mustertext auswählen oder eigenen Text verfassen
- Mail absenden, fertig