Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt

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Editorial PRO 10/2024

Mit der Politik im Gespräch

Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege,

sind wir mit der Steigerung des Orientierungswertes um 3,85 Prozent für 2025 zufrieden? Mitnichten! Gut, es hätten auch nur die erst von den Krankenkassen angebotenen 1,6 Prozent werden können. Doch das wäre an der Realität mehr als vorbei. Am Ende sind es nun 3,85 Prozent. Nein, damit sind wir nicht zufrieden. Das Ergebnis spiegelt bei Weitem nicht die Kostensteigerungen in den Praxen wider. Wir plädieren weiterhin dafür, die Finanzierung der ambulanten Versorgung neu zu denken. Sowohl weg von der Budgetierung, als auch hin zur Vergütung auf Basis einer Finanzierungssystematik, die die tatsächlichen Kostenentwicklungen frühzeitig berücksichtigt. Nun stehen die Vergütungsverhandlungen auf Landesebene an. Wir hoffen, dass sich die regionalen Kassen ihrer Verantwortung für die ambulante wohnortnahe haus- und fachärztliche Versorgung bewusst sind.

Geht die Entwicklung so weiter, wird die Differenz zwischen dem Einkommen eines selbständigen und eines angestellten Arztes immer geringer werden. Die Motivation, sich niederzulassen, die Attraktivität des Selbständig-Seins wird damit geringer. Eine Entwicklung, die uns Sorgen bereitet. Seit Jahren nimmt die Anzahl der Vertragsärzte mit eigener Praxis ab, die Anzahl der angestellten und in Teilzeit arbeitenden Ärzte nimmt zu. Schlussendlich bleibt weniger Arztzeit für die Versorgung und somit können auch weniger Termine für die Patienten vergeben werden.

Um die medizinische Versorgung zukunftssicher zu machen, muss sich etwas tun. Wir können kleine Stellschrauben bewegen. Das wissen wir – das machen wir. Was uns möglich ist, gehen wir an, das zeigt unser seit Jahren wachsender Maßnahmenplan. Doch für den großen Wurf sind wir auf politische Entscheidungen angewiesen. Auf Landesebene ruhen unsere Hoffnungen auf dem Gesundheitskabinett, das Ministerpräsident Haseloff vor einem Jahr beim „Grillen bei Doctor Eisenbarth“ angekündigt und auch ins Leben gerufen hat. In interministeriellen Arbeitsgruppen-Runden haben wir gemeinsam mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen Maßnahmen, die es bereits zur Verbesserung der medizinischen Versorgung gibt, zusammengetragen und Maßnahmen, die noch dringend notwendig sind, herausgestellt. Das ist gut, richtig und wichtig. Ich hätte mir gewünscht, dass wir in dem einen Jahr weitergekommen wären, dass wir schon erste Ergebnisse hätten präsentieren können. Zum Beispiel höhere Vorabquoten beim Medizinstudium. Aber: Wir arbeiten daran – gemeinsam mit der Landespolitik. Gut, in ihr einen Mitstreiter für die Sache zu wissen.

Auch auf Bundesebene könnte es vorangehen, zumindest was die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen betrifft, die im Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes steht. Doch was das eine Gesetz die Arbeit der Vertragsärzte – endlich – wertschätzen würde, könnte das andere Gesetz mit dem, was es von den Vertragsärzten fordert, wieder einreißen. So beispielsweise der vorgesehene „24/7-aufsuchende Dienst“ im Entwurf der Reform der Notfallversorgung. Um im Allgemeinen die medizinische Versorgungssituation vor Ort und im Speziellen die Folgen der geplanten Gesetzesänderungen auf Bundesebene aufzuzeigen, haben sich die Mitglieder der Vertreterversammlung entschlossen, ebenfalls Kontakt zu den regionalen Bundestagsabgeordneten aufzunehmen, sie zu einem Besuch ihrer Praxis einzuladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen – zu dem, was ist, und zu dem, was kommen könnte. Eine Aktion, die wir als Vorstand befürworten und unterstützen. Die Rückmeldungen zeigen, dass die Politik das Angebot auch annimmt. Inwiefern damit ein Umdenken angestoßen werden konnte, bleibt abzuwarten. Wenn auch kein komplettes Umdenken möglich ist, wäre allein ein Mitbedenken und Anbringen unserer Anliegen in die weitere Diskussion ein Erfolg.

Ihr
Jörg Böhme