Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt

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Editorial PRO 7/2024

Motivieren geht anders

Sehr geehrte Kollegin,
sehr geehrter Kollege,

eines muss man unserem Bundesgesundheitsminister Lauterbach lassen: Er ist emsig. In den vergangenen Monaten hat er eine Vielzahl von Gesetzen und Gesetzesentwürfen zur Gesundheitsversorgung auf den Weg gebracht. Will er seinen Vorgänger Spahn noch überholen?

Was aber ganz offensichtlich ist: Lauterbach scheint auf dem ambulanten Auge blind zu sein. Das bekommen wir zum Beispiel mit den Plänen zur Notfallreform wiederholt bestätigt. Mit ihnen verspricht er den Menschen das Schlaraffenland der medizinischen Versorgung. Das liest sich schön, doch es geht komplett an der Realität vorbei und ist somit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Laut Referentenentwurf sollen Sie, die ambulant tätigen Haus- und Fachärzte, die notdienstliche Akutversorgung außerhalb der regulären Praxissprechzeiten flächendeckend in sogenannten Integrierten Notfallzentren absichern sowie telemedizinische Versorgung und Hausbesuche an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr anbieten. Haben Sie weitere Valenzen für noch mehr Arbeit? Mit welchen Ärzten soll das passieren? Mit denen, die wir für die aktuell 300 unbesetzten Hausarzt-, Facharzt- und Psychotherapeuten-Stellen in Sachsen-Anhalt händeringend suchen? Und mit welchen Geldern, wo wir doch schon seit Jahren eine Entdbudgetierung aller Arztgruppen fordern. Es ist den ambulant tätigen Ärzten und Psychotherapeuten nicht zu erklären, warum auch ihr Geld in den Aufbau von unnötigen Doppelstrukturen investiert wird. Motivieren, Vertragsarzt zu werden und mehr und länger zu arbeiten, geht anders, Herr Lauterbach…

Und auch der Referentenentwurf des Apotheken-Reformgesetzes hält für uns Vertragsärzte keine wirklich guten Nachrichten bereit. Um die Impfquoten bei bestimmten impfpräventablen Erkrankungen zu erhöhen, sollen auch Apotheken impfen dürfen – und das nicht nur gegen Grippe- oder Coronavirus, wie bereits jetzt schon möglich.
Einzige Voraussetzung: eine vorab nachgewiesene ärztliche Schulung. Das können wir nicht gutheißen. Impfen ist eine originär ärztliche Aufgabe. Und das nicht ohne Grund. Kennt der Apotheker den Patienten, seine Krankheitsgeschichte, seine Kontraindikationen? Nein, kennt er nicht. Kann er gar nicht kennen. Und genau deshalb sollten Apotheker nicht impfen, sondern bei ihren wichtigen originären Aufgaben bleiben. Schuster, bleib bei deinen Leisten…

Jüngster Paukenschlag: der Referentenentwurf des Gesundes-Herz-Gesetzes. Auf den ersten Blick liest er sich gut: Verbesserung der Früherkennung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, Stärkung der Disease-Management-Programme, Reduzierung des Nikotinkonsums und mehr. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen früher erkannt und versorgt, die Herzgesundheit der Bevölkerung gestärkt werden, unter anderem durch erweiterte Gesundheitsuntersuchungen bereits ab dem 25. Lebensjahr. Das begrüßen wir, denn die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt in Sachsen-Anhalt immer noch einen hohen Anteil an der Gesamtzahl der Sterbefälle ein. Was wir aber ganz und gar nicht begrüßen, ist, dass mit dem Gesetz das Bundesgesundheitsministerium ermächtigt werden soll, Gesundheitsuntersuchungen zu bestimmen, die zulasten der Krankenkassen zu erbringen sind, und Näheres für das Erbringen dieser Leistung wie spezifische Risikoerfassungen und Vorgaben zur ärztlichen Vergütung zu regeln. Damit wird die Selbstverwaltung ausgehebelt und die Staatsmedizin gefördert.

Was gab es noch im Juni? Die Ministerpräsidentenkonferenz-Ost. Thema war unter anderem die medizinische Versorgung, der allgegenwärtige Mangel an Arztzeit, der sich in Zukunft noch verstärkt. Deshalb wird eine deutlich höhere Landarztquote als heute angestrebt – ein Baustein, der helfen kann, wenn er denn für Haus- und Fachärzte gilt. Wenn unter den LAQ-Studierenden dann noch möglichst viele Landeskinder wären… Denn was bindet mehr als heimatliche Wurzeln? Die Gesundheitsministerkonferenz. Hier ging es um die Stabilisierung der ambulanten medizinischen Versorgung. Diesem Beschluss müssen nun Taten in den Ländern und insbesondere im Bund folgen.

Ihr
Jörg Böhme