Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt

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Editorial PRO 6/2024

Veränderungen aktiv mitgestalten

Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege,

die Gemüter der ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten und ihrer Teams sind erhitzt. Tagtäglich arbeiten sie am Limit. Von der Politik erfahren sie kaum Wertschätzung oder Entlastung. Stattdessen gibt es den Entwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes, der die bewährten Strukturen der ambulanten medizinischen Versorgung in der Fläche teils rigoros in Frage stellt. Wir, die freiberuflich tätigen Ärzte und Psychotherapeuten, so scheint es, sollen geopfert werden, damit Krankenhäuser gerettet werden können. Sie sollen zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen werden und mehr ambulante Leistungen erbringen, bis hin zur Übernahme hausärztlicher Versorgung. Krankenhäuser sollen ermächtigt werden, fachärztliche Versorgung zu übernehmen. Das sind alles ambulante Leistungen – diese gehören in unsere Praxen, wohnortnah in Sachsen-Anhalt. Eine Mitfinanzierung von sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen mit den knappen und budgetierten Mitteln der ambulanten Versorgung darf es nicht geben.

Im Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes finden wir einige positive Ansätze. Allen voran natürlich die schon lange erwartete Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich. Sie ist überfällig. Aber ebenso überfällig ist die Entbudgetierung im fachärztlichen Bereich. Davon ist von politischer Seite keine Rede, leider. Aber wir werden nicht müde werden, sie zu fordern. Die erwähnten positiven Ansätze sind noch zu wenig. Damit die Umsetzung auch wirklich ein Gewinn für alle hausärztlich tätigen Ärzte wird, müssen einige Passagen im Gesetz noch umformuliert werden. Die Entbudgetierung darf keine Mogelpackung werden, die nur zu einer Umverteilung im hausärztlichen Versorgungsbereich führt, die wiederum für Unmut sorgt. Ein geplanter positiver Ansatz ist wieder gestrichen geworden: die Erhöhung der Medizinstudienplätze. Auch diese werden wir weiterhin einfordern.

Beide Gesetzesentwürfe sind für die Vertreterversammlung der KVSA in ihrer jüngsten Sitzung Ende Mai Anlass gewesen, eine Resolution zu verabschieden. Für den Erhalt der wohnortnahen haus- und fachärztlichen sowie psychotherapeutischen Versorgung. Diese Nähe macht uns aus, diese Nähe schafft Vertrauen, diese Nähe ist es, die von den Bürgern geschätzt und auch gefordert wird. Aber diese Nähe ist eben auch in Gefahr. Im Allgemeinen durch die immer weiter zunehmende Belastung der Praxen aufgrund der demografischen Entwicklung und des damit einhergehenden Arztzeitmangels. Und im Speziellen durch politische Entscheidungen, die den Praxisbetrieb mehr belasten – viel Bürokratie, wenig funktionierende digitale Anwendungen und eine stagnierende Finanzierung, die jegliche steigende Mehrkosten- Entwicklung ausblendet.

Diese Sorgen und teilweise auch Existenzängste treiben nicht nur uns hier in Sachsen-Anhalt um. Das tröstet nur bedingt. Aber es eröffnet mehr Möglichkeiten, darauf aufmerksam zu machen. Die Kampagne "Wir sind für Sie nah." der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung läuft jetzt seit Ende April. Sicherlich haben Sie die TV-Spots, Anzeigen oder Plakate gesehen. Wenn Sie Ende Mai/Anfang Juni in der Magdeburger Innenstadt oder bei uns im Haus der Heilberufe gewesen sind, haben Sie vielleicht auch den Radfahrer mit einem großen Werbeplakat auf einem kleinen Anhänger wahrgenommen. Ein Hingucker. Dieses Rad mit Plakat gehört auch zur Kampagne und ist jeweils in allen Städten mit Sitz von Kassenärztlichen Vereinigungen für ein paar Tage unterwegs, um so die breite Öffentlichkeit auf die schwierige Lage der Praxen aufmerksam zu machen.

Es ist gut, dass wir gemeinsam resolutionieren, plakatieren und so alarmieren und sensibilisieren. Wir müssen weiterhin versuchen, Veränderungen aktiv mitzugestalten. Wir müssen für das eintreten, für das wir nach dem Studium angetreten sind: Als ambulant tätiger Arzt oder Psychotherapeut Menschen wohnortnah in einer Praxis über Jahre, ja Jahrzehnte bestmöglich zu behandeln und zu versorgen. Und davon sollten wir uns auch zukünftig nicht abbringen lassen. Danke, dass wir auf Sie zählen können.

Alle Jahre wieder … möchte ich Sie zu Beginn der Sommerferien und damit der Haupturlaubszeit bitten, Ihre Vertretung zu regeln. Sprechen Sie sich im Vorfeld mit dem übernehmenden Kollegen ab, dass Sie Ihre Patienten für einen bestimmten Zeitraum an ihn verweisen werden. Informieren Sie uns online und rechtzeitig. Warum das wichtig ist und wie es am einfachsten geht, lesen Sie in dieser PRO.

Ihr
Jörg Böhme